Kasachstan 2012

Die Idee

Die Idee, wieder einmal längere Zeit mit einem oder mehreren Zügen unterwegs zu sein, entstand schon bald nach unserer Rundreise Wien-Lemberg-Bukarest-Wien, die wir 2009 absolvierten (wobei wir mit einer der letzten Sky Europe Flüge nicht ganz ohne Schwierigkeiten vom Flughafen Bukarest nach Wien abhoben).
Planten wir lange Zeit einen Trip nach Dushanbe (Hauptstadt von Tadschikistan) kamen wir nach detaillierteren Studien doch von unserem Plan ab, visatechnisch war das nicht wirklich einfach zu handeln. Neben dem russischen und kasachischen Visum wäre auch ein multiple Entry Visum für Usbekistan sowie ein Transitvisum für Turkmenistan und schließlich das Visum für Tadschikistan erforderlich gewesen.
Organisatorisch einfacher und sicherlich nicht minder interessant klang da eine Fahrt durch Kasachstan in die alte Hauptstadt Alma Ata und danach ein Trip in das “Dubai des Ostens”, die neue Hauptstadt Astana.
Soweit der Plan, den wir dann einmal vor rund einem Jahr locker zu planen begannen.

Die Route

Dreh- und Angelpunkt der geplanten Route war ein Sommer-Touristenzug, der jährlich von Mitte Juni bis Mitte September von der Halbinsel Krim (Simferopol) nach Alma Ata unterwegs war. Diesen Zug wollten wir buchen, die Hinfahrt von Wien aus über Budapest und Lemberg nach Simferopol gestalten.
Leider stellte die Kasachische Bahn diesen Zug ein, sodass es praktisch unmöglich wurde, von der Ukraine aus nördlich des Schwarzen Meers Richtung Kaspisches Meer zu gelangen (ausser mit vielen Umsteigeverbindungen und Aufenthalten mitten in der Nacht, was wir dann als untauglich klassifiziert hatten).
Es blieb schließlich nur die Route über Moskau übrig, was den seltsamen “Spitz” nach Norden erklärt…

Unsere Route im Detail:

Tag 1 7.9.2012

Wien – Budapest
Railjet RJ 63
Abfahrt Wien: 14:09
Ankunft Budapest: 16:49

Tag 1-3: 7.9.2012 – 9.9.2012

Budapest – Moskau Kievskaja (2.106 Kilometer)
D16 bzw. D16SH
Abfahrt Budapest: 18:40
Ankunft Moskau: 09:55 (+2 Tage)

Tag 3- 5: 9.9.2012 – 11.9.2012

Moskau Kasanskaja – Atyrau (1.802 Kilometer)
INT 360 EI
Abfahrt Moskau: 12:08
Ankunft Atyrau: 07:55 (+2 Tage)

Tag 5-7: 11.9.2012 – 13.9.2012

Atyrau – Almaty (2.695 Kilometer)
D41KH
Abfahrt Atyrau: 18:20
Ankunft Almaty 2: 19:35 (+2 Tage)

Tag 8: 14.9.2012

Almaty

Tag 9-10: 15.9.2012 – 16.9.2012

Almaty – Astana (1.343 Kilometer)
N 009
Abfahrt Almaty 2: 11:40
Ankunft Astana: 07:17 (+1 Tag)

Tag 11: 17.9.2012

Astana – Kiew – Wien
VV0414 (Aerosvit Air)
Abflug Astana: 05:50
Ankunft Kiew: 07:35
OS0664 (Austrian Airlines)
Abflug Kiew: 10:50
Ankunft Wien: 11:55

Die Kosten

Fliegen ist billiger.
Soviel steht fest.
Aber wer will denn schon fliegen, wenn man die Weite der kasachischen Steppe erleben kann? Zudem benötigt man auch keine Hotelzimmer, man ist ja mit seinem Bett unterwegs. In den 10 Nächten haben wir dreimal ein Hotelzimmer, sieben Mal übernachten wir im Zug.
Wenn man russisch kann und/oder gute Kontakte nach Russland oder Kasachstan hat, kann man sich bei Buchungen via Internet auch Geld sparen. Wer – so wie wir – das alles nicht hat, kann Dienste von spezialisierten Reisebüros in Anspruch nehmen, die aber natürlich für ihre Dienste bezahlt werden wollen.

Unsere Tickets gliedern sich wie folgt auf (Kosten pro Person):

Zug Wien Budapest:
Sparschiene um 29,- Euro
Selbst gebucht.

Zug Budapest-Moskau:
Zugfahrt (Sparschiene gilt bis zur ungarisch-ukrainischen Grenze) : 107,20 Euro
Schlafwagen: 40 Euro
Gebucht bei http://www.gleisnost.de/ ohne Aufpreis.

Zug Moskau-Atyrau:
Zugfahrt inkl. Schlafwagen (komplettes Vierer-Abteil): 275 Euro
Gebucht bei http://www.gleisnost.de/ um 353 Euro

Zug Atyrau-Almaty:
Zugfahrt inkl. Schlafwagen (2-er Abteil): 275 Euro
Gebucht bei http://www.bahnagentur-schoeneberg.de/ um 330 Euro

Zug Almaty-Astana:
Zugfahrt inkl. Schlafwagen (2-er Abteil): 153 Euro
Gebucht bei http://www.bahnagentur-schoeneberg.de/ um 170 Euro

Flugzeug Astana-Kiew-Wien:
326 Euro
Gebucht bei http://www.flugladen.at/

Hotel Almaty:
2 Nächte um 93,60 Euro
Gebucht bei http://www.gleisnost.de/

Hotel Astana: 1 Nacht um ??? Das werden wir vor Ort sehen, ob wir einen 12-Stunden Tarif bekommen
Da haben wir direkten Mailkontakt aufgenommen und eine Buchungsbestätigung erhalten.

Warum?

Warum nicht?
Wer war denn schon mal in Kasachstan? Sicherlich die Wenigsten. Die touristischen Trampelpfade überlassen wir anderen.
Dazu kommt, dass gerade die Länder im Süd/Osten der ehemaligen Sowjetunion in Europa eher ein Schattendasein fristen, solange nicht wieder mal das österreichische Fußballnationalteam gegen Aserbaidschan oder Kasachstan antreten muss.

Apropos: Ja, wir haben kurz überlegt, den Reisezeitraum so zu legen, dass wir pünktlich zum Auswärtsmatch in Astana (Fr. 12.10.2012) ankommen und uns für die weiteste Anreise gebührend feiern zu lassen, allerdings ließen familiäre Verpflichtungen diesen Reisetermin nicht zu.
Die Weite der Steppe im Süden Kasachstans, die Vorbeifahrt am Aral-See, den wir sicherlich nicht sehen werden, da er von der Bahnlinie, die früher am Nordufer entlang fuhr, mittlerweile dutzende Kilometer entfernt liegt, die ehemalige Hauptstadt Alma Aty mit ihrer wechselvollen Geschichte, schließlich die neue Hauptstadt Astana, mehr im Norden des Landes gelegen, die sich den Titel “Dubai des Ostens” allerdings mit zahlreichen anderen Ländern bzw. Städten teilen muss.
All das scheint es wert, zumindest einmal besucht zu werden und wer weiß, vielleicht gibt’s ja auch hier ein Wiedersehen…

Und warum mit dem Zug?
Wir finden, Zugfahren ist eine herrlich entspannende Art zu reisen. Zumindest in Waggons mit einzelnen Abteilen, wo man sich zu zweit eines teilt. Die modernen Großraumwägen, die mittlerweile in Westeuropa die Schienen beherrschen, sind nicht mehr das, was wir unter “entspannend reisen” verstehen. Deshalb müssen wir Richtung Osten ausweichen, wo die Geschwindigkeiten noch niedriger, die Waggons noch älter, die Abteile noch vorhanden und die Abenteuer noch ein bisschen größer sind.
Zudem bekommt man viel mehr von der Landschaft, den Bewohnern, dem Leben entlang der Strecke, der Weite des Landes etc. mit, als wenn man mit dem Flugzeug einfach drüber fliegt und an einem Flughafen, der aussieht wie überall auf der Welt einfach ankommt.
Es heisst ja nicht von ungefähr “Erfahrung” und nicht “Erfliegung”.

Texte während der Reise

Tag 1

Wir sitzen im ersten von fünf Zügen und lassen uns vom Westbahnhof über Meidling und Bruck nach Budapest chauffieren. Das frühe Aufstehen (musste meine Tochter um fünf Uhr am Flughafen bringen) macht sich erstmals ein wenig bemerkbar, heute wird der Tag nicht wirklich lange, das weiß ich jetzt schon.
Wie immer hat die Aufteilung des Reiseproviantes hervorragend geklappt, Christoph hat eine kaum zu schleppende Tasche mit Schnitzeln, Schinken, Käse, Thunfischdosen, Brot, Gemüse, Marillen aus Forchtenstein und sonstigem Essbaren, mir wurde die Versorgung mit Flüssignahrung für die erste Teilstrecke anvertraut. Die Kühltasche ist ebenfalls entsprechend schwer.
Gerade fahren wir auch durch die Baustelle des neuen Hauptbahnhofes durch, damit beenden wir vorerst den Bericht.
Nächstes Mal werden wir erst am 11.9. in Atyrau Zugang zum Internet haben. Liebe Grüße von WCKURT (Wolfgang&Christoph Kasachstan Ukraine Russland Tour)

Tag 3

Die Voraussagen, dass die russische Bahn pünktlich ist, haben sich bewahrheitet. Nach zwei abwechslungsreichen Tagen und Nächten sind wir pünktlich in Moskau angekommen. Auch die U-Bahn haben wir schnell gefunden, die Metalldetektoren beim Eingang haben uns auch nicht aufgehalten . Die U-Bahnstationen sind – wie bekannt – wirklich hervorragend schön, nach 20 Minuten Fahrtzeit haben wir fünf Stationen hinter uns gebracht und sind pünktlich am Abfahrtsbahnhof angekommen. Und Überraschung: Am Bahnhof Kasanskaja gibt’s offenes WLAN .
Fotos folgen in Atyrau, da haben wir mehr Zeit.

Tag 8

Nachdem wir in Atyrau eher wenig Zeit zwischen Ankommen, Duschen, Stadtbesichtigung und Abfahrt hatten, kommt der Bericht erst aus der ehemaligen Hauptstadt Kasachstans, Almaty.
Der Zug Moskau-Atyrau, gestellt von den tadschikischen Eisenbahnen und weiter auf dem Weg nach Leninabad zählte – laut dem deutschen Reisebüro – zum schrottigsten, was auf russischer Breitspur unterwegs ist. Wie wir nun aus eigener Erfahrung mitteilen können, es war nicht gelogen.
In Moskau bahnten wir unseren Weg durch hunderte Tadschiken, die auf dem Heimweg waren, die Waggons wurden vollgefüllt mit allem, was daheim gebraucht wurde. Und da waren Auto- und LKW-Reifen ebenso dabei wie eingepackte, ziemlich schwere Eisentrümmer, die mir verdächtig nach Autoachsen oder Getrieben o.Ä. ausgesehen haben. Und mindestens ein Kühlschrank. Sowie Tonnen von Zucker- und Wassermelonen. Weiß der Geier, wozu, konnte man die doch an praktisch jedem Bahnhof entlang der Strecke käuflich erwerben.
Wie auch immer, wir fanden unseren Platz im Vierer-Abteil, das wir zur Gänze gebucht hatten. Speisewagen gab’s auch, WCs ja, OK, ebenfalls. Sitzpinkler wollte man da allerdings eher nicht drauf sein, zum Glück hatte ich auch jede Menge Klopapier aus Wien mitgenommen.
Nach zwei Nächten gelangten wir schließlich nach Atyrau, wo wir uns in der Früh in einem Hotel eincheckten, duschten und frühstückten. Stadtbesichtigung, Überqueren der Grenze zwischen Europa und Asien, Mittagessen und chillen bei Hugo’s, anschließend ging’s schon wieder zum Bahnhof und in einen erstklassigen Zug, diesmal gestellt von der kasachischen Eisenbahn. Erste Klasse Abteile, blitzsaubere WCs, die auf der Fahrt auch gereinigt wurden, einen Speisewagen, der uns mit kaltem Bier versorgte. Einziger wirklich schwerer Fehler: Das WM-Quali Spiel Ö-D wurde nicht übertragen und mit der WLAN-Versorgung in der kasachischen Steppe ist’s dann auch nicht weit her.
Nach zwei Tagen durch eine wunderbare Landschaft, zumindest für diejenigen, die viel Gegend mögen, erreichten wir nun schließlich am Abend Almaty. Unser Hotel war nur ein paar Schritte vom Bahnhof entfernt. Endlich wieder WLAN . Die wichtigsten Skype-Telefonate erledigt, Facebook gecheckt, geduscht und ab zum Abendessen. Dort noch ein kurzes Skype-Telefonat mit meiner Tochter, die gerade in den USA, an der Westküste weilt und gerade aufgestanden war, Christoph erreichte seinen Sohn auch noch…
Was hätten wir vor 10 Jahren gemacht…
Soweit mal ein Kurzbericht, nach der Rückkehr gibt’s von jedem Zug noch einen detaillierteren Bericht samt Fotos. Den nächsten Kurzbericht gibt’s nach dem letzten Zug aus Astana…
Gute Nacht!

Tag 11

Rückreise mit Hindernissen
Nach der Stadtbesichtigung von Almaty und einem erholsamen zweimaligen Übernachten auf festem Boden brachte uns der letzte Zug wieder über Nacht in die Hauptstadt Astana. Bei der Busfahrt zum Flughafen, wo wir ein Hotel gebucht hatten, war schnell klar, dass der alte Teil eher nicht so interessant, der neue allerdings vor allem fototechnisch sehr interessant zu werden erschien.
Davor musste die Hürde “Airport-Hotel” Astana (ein eigenes Kapitel) gemeistert werden.
Nach einer ausgiebigen Stadtbesichtigung mit zahlreichen Fotos und dem Besuch des markanten Aussichts-Turmes fuhren wir schließlich ins Hotel zurück, um für den Flug am kommenden Morgen um 5:50 gerüstet zu sein.
Der Aufforderung, bereits um 3:00 Uhr am Flughafen zu sein, kamen wir nicht nach, eine halbe Stunde später muss auch genügen. Wir checkten ein, wurden unser Gepäck los und lümmelten dann noch ein wenig im Restaurant bei einem Kaffee herum.
Um 5:15 beschlossen wir, die letzte Hürde zu nehmen und gingen zur Grenzkontrolle, nichts ahnend, wie groß diese noch werden würde. Die Kommunikation gestaltete sich ziemlich schwierig, da Englisch eher Mangelware in Kasachstan darstellt. Wir hätten ein Gesetz gebrochen, könnten nicht ausreisen, müssten am Vormittag nochmal zurück in die Stadt zum Immigrationbüro, einen Stempel holen, erst dann könnten wir ein Flugzeug besteigen. Dass uns dieser Plan natürlich eher nicht gefiel, lag auf der Hand.
Glücklicherweise hatte unser Flug Verspätung, das gab zumindest ein wenig Zeit. Langwierige Diskussionen mit der einzig englischsprachigen und durchaus netten Grenzbeamtin ergaben, dass es noch die Möglichkeit einer Strafzahlung, sowie Unterschriften auf zahlreichen Formularen gab.
Wir nahmen dankend an, zahlten umgerechnet rund 80 Euro Strafe, setzten unsere Unterschriften unter rund 10 Blanko-Dokumente, die sie uns absatzweise auch übersetzte und waren froh, dass wir schlussendlich ausreisen durften.
Dass vergessen wurde, Christoph auch einen entsprechenden Ausreisestempel in den Reisepass und auf die Boarding-Card zu geben, fiel erst beim Boarding auf, was wiederum Diskussionen, Herzklopfen und erneutes Aufsuchen der Grenzbeamten nach sich zog. Zum Glück gab es in der Zwischenzeit keinen Schichtwechsel und der fehlende Stempel konnte schnell nachgereicht werden.
Mit zweistündiger Verspätung hob dann unser Flieger auch Richtung Kiew ab, wo wir auch den Anschlussflug nach Wien noch kommod erreichten.
Ein mehr als stressiger und adrenalingetränkter Abschluss der ansonst wirklich problemlos verlaufenden Reise, so wirklich froh waren wir auch erst, als wir in Wien landeten und im Taxi saßen.

Christoph hat dankenswerterweise bereits einen etwas ausführlicheren Reisebericht in drei Teilen in einem bahnaffinen Online-Forum veröffentlicht, aus dem wir vor der Reise auch einige gute Informationen erhalten haben.
Die Berichte sind hier zu finden:
Teil 1: http://www.drehscheibe-foren.de/foren/read.php?30,6083011 
Teil 2: http://www.drehscheibe-foren.de/foren/read.php?30,6088474
Teil 3: http://www.drehscheibe-foren.de/foren/read.php?30,6088714
Links öffnen sich jeweils in einem neuen Fenster.
Viel Spaß beim Lesen!

Bildergalerie

Hier gibt’s die Highlights der Bilder zu sehen, die Christoph und ich während der Reise gemacht haben. Ich hab sie dreimal aussortiert, gelöscht, hin- und hergeschoben, irgendwie sind dann doch diese übriggeblieben. Nur so als Warnung. 

Achtung: Es gibt viel Gegend, viel Metall (Waggons und Loks), Interieur der Waggons und natürlich Menschen, sowohl uns beide als auch viele andere. Ach ja, Städte gibt’s natürlich auch noch.
Viel Spaß, Feedback ist natürlich immer willkommen.

Schreibe einen Kommentar